SpannEnD 2.0

Geomechanisch-numerische Modellierungen zur Charakterisierung des tektonischen Spannungszustandes für die Entsorgung hochradioaktiver Abfälle in Deutschland

Ziel des Projektes ist die Bereitstellung von geomechanisch-numerischen Modellen und Werkzeugen zur robusten Prognose des rezenten Spannungszustandes in Deutschland. Die Arbeiten werden in Kooperation mit dem GFZ Potsdam und dem KIT durchgeführt.

Fakten zum Projekt

Projektmanager: Dr. Steffen Ahlers Promotionsprojekt: Victoria Kuznetsova +++ Laufzeit: 01.04.2022 bis 31.03.2026 +++ Projektfinanzierung: Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE), Peine +++

Offizielle Website zum SpannEnd 2.0 Projekt

Die Kenntnis des tektonischen Spannungszustandes ist ein wesentlicher Faktor für die Auswahl eines Standortes zur sicheren Endlagerung hochradioaktiver Abfälle. Das Projekt zielt im ersten Arbeitspaket auf die Weiterentwicklung und Bereitstellung des geomechanisch-numerischen Spannungsmodells für Deutschland (Ahlers et al., 2022). Dieses Spannungsmodell Deutschland kann u.a. für Teilgebiets- und großräumige Regionalvergleiche genutzt werden, liefert aber auch die erforderlichen Randbedingungen für detailliertere Regional- und Standortmodelle. Entsprechende Submodellierungstechniken zur konsistenten Verknüpfung der unterschiedlichen Modellskalen werden in einem zweiten Arbeitspaket weiterentwickelt. Im dritten Arbeitspaket werden die verschiedenen Messverfahren zur Bestimmung von Spannungsmagnituden evaluiert und allgemein anwendbare Empfehlungen zur Optimierung von Erkundungsprogrammen in Hinblick auf die Parametrisierung und Kalibrierung von geomechanisch-numerischen Modellierungen erarbeitet. Insgesamt liefert das auf vier Jahre angelegte F&E Vorhaben damit alle für robuste Prognosen zum in situ Spannungszustand in Deutschland erforderlichen Grundlagen und Modellierungswerkzeuge.

Im Zuge des Projektes SpannEndD (www.spannend-projekt.de) wurde erstmalig für Deutschland ein 3-D Spannungsmodell unter Berücksichtigung publizierter Strukturmodelle und geomechanischer Daten erstellt und an gemessenen Punktdaten zu Spannungsmagnituden und -orientierungen kalibriert. Basierend auf einem neuen geologischen 3D Modell von Deutschland (Ahlers & Henk 2025) wurde ein neues geomechanische Modell erstellt, dessen Publikation z.Z. vorbereitet wird. Auf Grundlage des verbesserten geologischen Modells sind im neuen geomechanischen Modell doppelt so viele geologische Einheiten – im Vergleich zum vorherigen Modell – aufgelöst. Darüber hinaus besitzt es eine 5-fache vertikale Auflösung und konnte an der 3-fachen Anzahl an Spannungsmagnituden kalibriert werden. Das Video zeigt beispielhaft die prognostizierten Spannungen der maximalen horizontalen Hauptspannung (SHmax) aus den obersten 5 km im zentralen Teil des geomechanischen Modells.

Ergebnisse des Modells SpannEnD 2.0

Die lokale Verfeinerung der geomechanisch-numerischen Modelle für Spannungsprognosen wird exemplarisch anhand eines Teilgebietsmodells untersucht. Das Untersuchungsgebiet befindet sich zwischen den Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg und bedeckt eine Fläche von 120 km2 (8 km x 15 km). Die Grundlage für das Modell ist die Rekonstruktion der Versenkungs- und Hebungsgeschichte anhand des heutigen Untergrundaufbaus. Das 3-D Model berücksichtigt dabei 9 Events und umfasst 17 stratigraphische Einheiten vom kristallinen Grundgebirge bis zum Quartär. Die Randbedingungen bilden die Entwicklung der Oberflächentemperatur und des basalen Wärmeflusses sowie die Änderungen des überregionalen Spannungsfeldes über die Zeit da. Die Modellkalibrierung erfolgt an Temperatur- und Vitrinitdaten sowie an Informationen zur Orientierung und Magnitude des rezenten Spannungsfeldes. Aufbauend auf den bisherigen Ergebnissen wird ein größeres geomechanisches Model, mit einer Fläche von 200 km x 80 km, erstellt und diese beiden Modelle werden mit dem Multi-Skalen Ansatz der Submodellierung verknüpft.

Skizze eines Multi-Skalen Ansatzes von einem großräumigen (1000 km) zu einem kleinräumigen (1er bis 10er km) Modell.
Skizze eines Multi-Skalen Ansatzes von einem großräumigen (1000 km) zu einem kleinräumigen (1er bis 10er km) Modell.

Die Prognose von Feldgrößen in den Geowissenschaften steht in der Regel vor dem Problem, dass diese von langwelligen Prozessen wie z.B. Plattentektonik gesteuert werden, aber gleichzeitig für die praktische Anwendung auf der Standortskala eine hohe Auflösung gefordert wird. Um über unterschiedliche Skalen hinweg Feldgrößen konsistent zu modellieren, soll ein Multi-Skalen Ansatz weiterentwickelt werden. Dieser Ansatz wurde bereits erfolgreich in 3-D kinematischen Modellen, also für Verschiebungen, umgesetzt (z.B. Hergert et al., 2011). Der Übertrag von 3-D Spannungen über Raumskalen hinweg ist hingegen bisher noch nicht umfassend untersucht worden. Einen ersten Test für die Nutzung des Multi-Skalen Ansatzes für 3-D Spannungsmodelle zeigen Ziegler et al. (2016).

Für die Endlagerstandortsuche sind die Anforderungen an Erkundungsprogramme für geomechanische Daten und in situ Spannungsmessungen deutlich verschieden von denen der Kohlenwasserstoffindustrie. Insbesondere ist der Zielhorizont mit 300-1500 m unter Geländeoberkante in der Regel flacher und die Wirtsgesteine haben signifikant andere geomechanische Eigenschaften als die der Kohlenwasserstoffreservoire. Zusätzlich müssen neben dem Zielhorizont, also dem Wirtsgestein, auch die Schichten im Über- und Unterlager geomechanisch beurteilt werden, da diese für geotechnische Fragestellungen beim Endlagerbau, aber auch bei der Modellierung der Langzeitsicherheit, z.B. bezüglich Erosion oder Auflasten durch Vergletscherungszyklen, eine wichtige Rolle spielen. Ebenso sind die Anforderungen an die Genauigkeit der Modellergebnisse höher, so dass die Wahl und Planung von Messprogrammen in Bohrungen bzw. deren optimale Lokalisierung in Hinblick auf die Parametrisierung und Kalibrierung von geomechanischen Modellen besondere Herausforderungen darstellen. Eine weitere zentrale und in der Literatur kontrovers diskutierte Frage ist der Einfluss von Störungen auf die Komponenten des Spannungstensors (Yale, 2003), die von Reiter et al. (2024) untersucht worden ist.

Bildergalerie

3D Modelle die in das neue geologische Modell implementiert worden sind. Details werden in Ahlers & Henk (2025) beschrieben

Blick auf das neue geomechanische Modell von Deutschland

Versenkungsgeschichte des Modells.

3D Blick auf das Modell.

Tagungsbeiträge

  • Ahlers, S., Henk, A., Reiter, K., Hergert, T., Röckel, L., Morawietz, S., Heidbach, O., Ziegler, M., and Müller, B.: SpannEnD 2.0 – Improved present-day stress prediction of Germany by a new 3D geomechanical-numerical model, EGU General Assembly 2025, Vienna, Austria, 27 Apr–2 May 2025, https://doi.org/10.5194/egusphere-egu25-15638, 2025.
  • Louison, L., Ziegler, M., Reiter, K., Heidbach, O., Desroches, J., Giger, S., and Cotton, F.: Minimum amount of stress magnitude data for reliable geomechanical modelling, EGU General Assembly 2025, Vienna, Austria, 27 Apr–2 May 2025, https://doi.org/10.5194/egusphere-egu25-6868, 2025.
  • Reiter, K., Heidbach, O., Henk, A., Degen, D., and Achour, R.: Impact of resolution and finite element type in geomechanical-numerical modelling, EGU General Assembly 2025, Vienna, Austria, 27 Apr–2 May 2025, https://doi.org/10.5194/egusphere-egu25-9583, 2025.
  • Velaga, L. S. A. R., Heidbach, O., Ziegler, M., Reiter, K., and Henk, A.: The Role of Faults in Shaping Present-Day Stress Fields: Implications for 3D Subsurface Models, EGU General Assembly 2025, Vienna, Austria, 27 Apr–2 May 2025, https://doi.org/10.5194/egusphere-egu25-10251, 2025.
  • Ziegler, M., Reiter, K., Heidbach, O., Seithel, R., Rajabi, M., Niederhuber, T., Röckel, L., Müller, B., and Kohl, T.: Faults in geomechanical models – Necessary, nice, or nonsense?, EGU General Assembly 2025, Vienna, Austria, 27 Apr–2 May 2025, https://doi.org/10.5194/egusphere-egu25-8308, 2025.
  • Ahlers, S., Röckel, L., Reiter, K., Hergert, T., Henk, A., Morawietz, S., Heidbach, O., Ziegler, M., Müller, B., and Kuznetsova, V.: Prediction of the recent crustal stress state of Germany – The SpannEnD project, Tectonic Stress: from the lithosphere to the wellbore, London, United Kingdom, 21–22 May 2024, 2024.
  • Ahlers, S., Reiter, K., Henk, A., Hergert, T., Röckel, L., Morawietz, S., Ziegler, M., Heidbach, O., Müller, B., and Kuznetsova, V.: SpannEnD 2.0 – The crustal stress field of Germany: results of a refined geomechanical–numerical model, GeoSaxonia 2024, Dresden, Germany, 23-26. Sep 2024, 2024.
  • Ahlers, S., Reiter, K., Henk, A., Hergert, T., Röckel, L., Morawietz, S., Heidbach, O., Ziegler, M., Müller, B., and Kuznetsova, V.: The recent crustal stress state of Germany – results of a new geomechanical–numerical model, EGU General Assembly 2024, Vienna, Austria, 14–19 Apr 2024, https://doi.org/10.5194/egusphere-egu24-16586, 2024.
  • Kuznetsova, V., Henk, A., and Ahlers, S.: Geomechanical modeling of a potential site for nuclear waste repository in Germany – The SpannEnD project, GeoSaxonia 2024, Dresden, Germany, 23-26. Sep 2024, https://doi.org/10.48380/63me-w860, 2024.

Publikationen

  • Ahlers, S. and Henk, A.: 3D Geological Model for Germany and Adjacent Areas, Earth Syst. Sci. Data, 2025, submitted.
  • Ziegler, M. O., Seithel, R., Niederhuber, T., Heidbach, O., Kohl, T., Müller, B., Rajabi, M., Reiter, K., and Röckel, L.: Stress state at faults: the influence of rock stiffness contrast, stress orientation, and ratio, Solid Earth, 15, 1047–1063, https://doi.org/10.5194/se-15-1047-2024, 2024.
  • Reiter, K., Heidbach, O., and Ziegler, M. O.: Impact of faults on the remote stress state, Solid Earth, 15, 305–327, https://doi.org/10.5194/se-15-305-2024, 2024.

Status Quo & Ausblick

Das Projekt befindet sich im letzten Jahr. Aktuell werden erste Ergebnisse für Publikationen vorbereitet.